Geschichte der Instrumentalausbildung
Spezialschule für Musik 1965 bis 1991
Im Jahr 1965 wurde die Spezialschule für Musik der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig gegründet. Sie wurde zwar nach 1990 wie andere Spezialschulen für Musik vorerst in ein Musikgymnasium umgewandelt, aber 1992 auf Beschluss des damaligen Kultusministers dem humanistischen Landesgymnasium Latina August Hermann Francke Halle als Teil des Musikzweiges angegliedert. Sie bildet heute als Musikzweig Instrumentalausbildung gemeinsam mit dem Stadtsingechor Halle den musikalischen Zweig der Schule.
Die Spezialschule für Musik war ein Schultyp zur Förderung von musikalischen Talenten in der DDR. Es bestanden vier derartige Einrichtungen, die zumeist auf ein Studium an einer der vier Hochschulen für Musik vorbereiteten und am jeweiligen Hochschulstandort untergebracht waren – in Berlin, Dresden und Weimar. Einzig die zur Leipziger Musikhochschule gehörende Spezialschule war in Halle (Saale) beheimatet.
Schon kurz nach ihrer Gründung wurde die Spezialschule für Musik zu einer begehrten Ausbildungsstätte. Zu den Aufnahmeprüfungen kamen Schülerinnen und Schüler vom Erzgebirge bis zur Ostseeküste und im Musikleben der Stadt Halle nahm die Spezialschule einen hervorragenden Platz ein.
Der Lehrkörper der Allgemeinbildung reagierte verständnisvoll auf die Forderung der Schulleitung, den Unterricht auch nachmittags stattfinden zu lassen. Damit wurde auch an den Vormittagen Zeit frei für das instrumentale Training und für den Unterricht in den musikbezogenen Fächern. Weil die Ausbildung ohnehin Berufsvorbereitung war, entfiel für unsere Schülerinnen und Schüler der „Unterrichtstag in der Produktion“ (UTP). Eine entsprechende Vereinbarung mit dem Ministerium für Volksbildung wurde getroffen und mit Erleichterung aufgenommen.
Auch in damaliger Zeit war für die Aufnahme eines künstlerischen Studiums an einer Hochschule für Musik kein Abitur notwendig. Der jährliche Leistungsvergleich der Klassen 10 I aller vier Spezialschulen in Berlin, Dresden, Halle/Leipzig und Weimar war eine überregionale Bewertung der Fähigkeiten und Fertigkeiten der Schülerinnen und Schüler. Diese Leistungsbewertung galt gleichzeitig als Aufnahmeprüfung an die jeweilige Hochschule für Musik.
Die Spezialschüler beteiligten sich erfolgreich an Wettbewerben wie dem Rundfunkwettbewerb „Concertino Praha“ , am Weimarer Improvisationswettbewerb, dem Klavierwettbewerb in Usti nad Labem und nicht zuletzt am „Bachwettbewerb für Schüler und Jugendliche“ in Leipzig. Dieser von Lehrern und Schülern heiß umkämpfte „Kleine Bachwettbewerb“ war speziell für Kinderklassen und Spezialschüler bestimmt, zu denen auch erste Preisträger aus den Wettbewerben der Musikschulen hinzutreten durften.
Ab Mitte der 70er Jahre eröffneten sich neue Problemfelder, die vor allem aus der Forderung des Ministeriums für Kultur erwuchsen, bereits an der Spezialschule die instrumentalen Voraussetzungen für internationale Spitzenleistungen zu schaffen. Neben der herausragenden Begabung und charakterlichen Eignung von dafür auszuwählenden Schülerinnen und Schülern wurde die durchgängige methodische Führung im instrumentalen Hauptfach von der Spezialschule bis zur Hochschule noch dringlicher.
Vor allem zwei organisatorische Konstrukte sollten dieses Vorhaben stützen. Zum Einen wurden an der Hochschule für Musik Leipzig sogenannte Kollektivklassen gebildet, welche Studentinnen und Schüler – einschließlich ihrer Lehrkräfte – in sich vereinten. Für die Abteilung Tasteninstrumente der Hochschule mit ihrer größeren Anzahl an hauptamtlichen Lehrkräften war diese Frage ein geringeres Problem. Für die Abteilungen Bläser und Streichinstrumente, die überwiegend mit Honorarkräften arbeiteten, war diese Forderung zweifellos schwieriger umzusetzen. Sie konnte aber durch die Zusammenarbeit aller an der Ausbildung beteiligten Lehrkräfte durch Vorspiele mit Auswertung und Beratung weitgehend erfüllt werden. Zum Anderen sollte mit der Bildung von „Meisterklassen“ an den Hochschulen für Musik die solistische Entwicklung besonders hoch Begabter weiter verbessert werden.
Um diesen Prozess auch leitungsmäßig sachkundig zu begleiten und zu fördern, wurden in den 80er Jahren – seit 1985 auch in Halle – die Direktorenstellen an den Spezialschulen mit Musikern besetzt. Die neue Leitung der Spezialschule setzte sich das Ziel, die fachliche Leistungsfähigkeit der Schule durch ein organisches und verständnisvolles Zusammenwirken von allen Lehrkräften und Erziehern weiter zu profilieren, in der Personalpolitik eine Entwicklung über den Dozenten bis zur Professur zu öffnen, die materielle Ausstattung der Schule und des Internates auf eine würdigere Ebene zu heben, unterschiedliche Auffassungen zu Politik, Gesellschaft, Kunst und Kultur als Normalität zu begreifen und langfristig die Spezialschule Halle an den Hochschulort Leipzig zu verlegen.
In der Wendezeit 1990/1991 wurde noch einmal intensiv nach einem Weg gesucht, die Spezialschule in Leipzig zu beheimaten. Als diese Bemühungen scheiterten und auch der Versuch fehl schlug, über eine Mischfinanzierung der neuen Bundesländer Sachsen und Sachsen-Anhalt die Spezialschule Halle als eine Abteilung der Hochschule für Musik Leipzig zu erhalten, wurde die Spezialschule in die Trägerschaft des Bundeslandes Sachsen-Anhalt übergeben.
Eine Ära fand ihr Ende: neue Daten und Taten sollten die weitere Arbeit prägen. Bleibend ist die Erkenntnis, dass die musikalische Frühförderung von Kindern und Jugendlichen ein hoher Wert war und ist. Dank allen, die daran teilhatten.
Autor: Wolfram Merkel, Direktor der Spezialschule Halle von 1985 – 1991
Quelle: Festschrift 40 Jahre Spezialausbildung Musik